Wenn Verwirrung in der Entscheidungsfindung Sinn macht

Ein Unternehmer-Ehepaar kam zu mir in die Erstberatung. Hinter ihnen lagen intensive, gemeinsame Arbeitsjahre. Ihre Frage war nun, wie es in Zukunft weitergehen soll? Wie können sie ihre Firma weiterführen und ihr Leben - beides ist bei Paaren die zusammenarbeiten, eng verzahnt? Das Problem war nicht, dass beiden nichts einfiel, dass sie gar keine Idee hatten. Sie hatten durchaus Vorstellungen, die aber ständig wechselten, je nach betrieblicher und persönlicher Lage und Stimmung. Diese ständige Ambivalenz im Denken und Handeln ließ sie verzweifeln.

Immer wieder stellte sich die Frage, mit welchen Konsequenzen sie beim Umsetzen eines Plans rechnen müssten? Die Unsicherheit, ob sich eine Entscheidung dann auch als praxistauglich erweisen würde. Was wenn nicht? Welche Auswirkungen hätte das für sie, beruflich und privat.

Mit diesen Fragen beschäftigten sich meine beiden Klienten schon längere Zeit. Genaugenommen vier Jahre und drei Berater lang. Ohne Ergebnis. Ohne Erfolg. Außer dass sie nach eigenen Worten Unsummen Geld völlig umsonst bezahlt hatten und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sahen. Sie fühlten sich entsprechend ausgebrannt, die Nerven waren strapaziert, ihre Motivation verpufft. Sie sehnten sich nach einer Lösung und zwar bald.

Ich habe zunächst einzeln mit beiden gearbeitet und mit jedem Varianten in Form von „Fixen“ und „Variablen“ gesammelt. Zu dritt setzten wir die Arbeit dann fort und legten den gemeinsamen Nenner fest. Was folgte, bezeichne ich als „geführte Verwirrung“. Ich mag diese Methode sehr gerne, weil sie raus aus dem linearen Denken und den gewohnten Schritten führt. Das hatten meine Klienten mit meinen Vorgängern ja bereits zu Genüge getan. Wenn man immer wieder dasselbe denkt und tut, dann kommt immer wieder ähnliches und nie neues heraus.

Wir nahmen also einen anderen Weg, nicht die ausgefahrene, verstopfte Denkautobahn. Stattdessen sprangen wir thematisch hin und her und auf und ab, zwischen betrieblichen Abläufen, Mitarbeiter- und Führungskräftethemen, Erfolgen und Niederlagen, persönlichen Befindlichkeiten, Historie und der zukünftigen Entwicklungsgeschichte. All diese Bereiche zu entkrusten, sie voneinander zu lösen, um sie dann wieder in der richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen war notwendig, um ungeniert die heitersten Zukunftsszenarien zu entwerfen. Meine Klienten hatten so etwas noch nie gemacht. Sie wussten nicht, dass es durch gezielte Verwirrung anschließend unvergleichlich leichter ist, Ordnung und Sicherheit zu bekommen.

Wir machten weiter mit Entscheidungsübungen. Aus vielen Möglichkeiten bildeten wir „die ultimative Premiumvariante“ und eine „Geht grad noch-Variante“ und mitten in dieses positive Spannungsfeld mussten meine Klienten eine Mittelvariante definieren und platzieren. Es ging ratzfatz und plötzlich war die Entscheidung da! Sie war klar und für beide absolut stimmig. Das sind nicht nur für die Klienten die schönsten Momente, sondern auch für mich.

In der Umsetzung ergibt seither ganz automatisch und wie selbstverständlich ein Schritt den nächsten. Noch begleite ich die beiden, weil sie das gemeinsame Denken als sehr produktiv empfinden. Sie entscheiden selbst, wann sie „durch“ sind.